Der Bertone
Freeclimber ist ein
aussergewöhnliches Auto. Lange, bevor die
Geländewagen-Welle
nach Deutschland schwappte, legte die Karosserieschmiede Bertone aus
Turin (Italien) im Jahr 1988 einen "eigenen" Offroader auf, der die
guten Gelände-Eigenschaften des Daihatsu Wildcat/Rocky mit
Motoren
von BMW und dem
damaligen Ausstattungskomfort einer Limousine verband. Anders als man
es von Carrozzeria
Bertone gewohnt
ist,
wurde das
äussere Design im Wesentlichen vom Rocky Wagon
(F78?)
übernommen.
Lediglich die Frontpartie
erhielt ein neues
Gesicht,
dazu kamen spezielle Felgen und später auch Trittbretter aus
dem
Hause Bertone. Die Lacke entsprachen (meines Wissens) denen von
Daihatsu, nur z.T. in anderen Kombinationen; in meinem Fall sind das
Silber und Grau-metallic.
Im Inneren fällt der
Unterschied aber sofort ins Auge: eine edel wirkende Lederausstattung
mit bequemen sportwagen-ähnlichen Schalensitzen, elektrische
Fensterheber, Heckablage und auf Wunsch Klimaanlage - dazu viel Liebe
zum Detail, etwa bei den eigens gestalteten Rundinstrumenten oberhalb
der Mittelkonsole. Technisch wurde
der Freeclimber mit allen wesentlichen Extras, von denen nur einige
seinerzeit für
den Rocky erhältlich waren, serienmässig
ausgerüstet:
Freilaufnaben vorn, innenverstellbare Spiegel,
Clinometer, Sperrdifferential, Servolenkung mit Lederlenkrad, hintere
Kopfstützen, Zentralverriegelung etc.
Das Herz dieses "starrachsigen Fossils unter prominetem Namen (Zitat
'auto motor und sport'), das für grossen Fahrspass sorgt,
schlägt unter der Motorhaube. Mit erstaunlich geringem
technischen
Aufwand ist es Bertone
gelungen, BMW-Motoren an das originale Daihatsu-Getriebe zu flanschen.
Zur Wahl standen ein drehmomentstarker Benziner mit 2,7 Liter Hubraum
(129 PS), bekannt aus den BMW 325eta und 525eta sowie der
bärenstarke
Turbodiesel aus 324td und 524td (2,4 Liter, 115 PS), der m.E. noch mehr
Freude macht, weil er schon in niedrigen Drehzahlen ordentlich
zupackt.
Gerade im Vergleich zu den Rocky-Motoren ist dies wirklich eine
Offenbarung. Noch dazu macht der Diesel-Motor den Freeclimber mit
maximal 10
Litern pro 100 km nach wie vor zu einem der sparsamsten
Geländewagen auf unseren Strassen. Laut Katalog sollte es auch
noch einen 2-Liter
Motor
gaben, soweit ich weiss, ist dieser in Deutschland aber nie vertrieben
worden.
Apropos Vertrieb: Diesen erledigte in Deutschland zwischen 1988 und
1992 Daihatsu Deutschland, deren Werkstätten offiziell auch
für
Wartung und Reparatur zuständig sind. Praktisch ist man aber
als
Freeclimber-Besitzer hauptsächlich auf seinen eigenen
Einfallsreichtum gestellt.
Ersatzteile zu bestellen dauert lange, und die BMW-Teile für
den
Motor sind, über Daihatsu bestellt, noch teurer als bei BMW
selbst. Und wenn man zu BMW mit einem Problem kommt, scheint denen der
ehemalige Deal mit Bertone eher peinlich zu sein ("Wir reparieren keine
Fremdfabrikate!"). Wohl dem, der selber
Hand anlegen kann ...
Auch ist das Fahrzeug nicht in allen Punkten wirklich durchdacht;
soweit möglich, lohnen sich für den Bastler kleinere
optische
und technische Anpassungen: So fehlt ab Werk eine Integration der
Heckklappe in die ZV, stattdessen wurde ein extra Schalter in die
Mittelkonsole gesetzt. Besagte Konosole, in der sich auch der Schalter
für
die elektrische Dämpferverstellung befindet, ist zudem klobig
und
unpraktisch; ich habe sie gegen eine Mittelkonsole aus dem 3er BMW
(E34) getauscht, was zugleich eine elegante Unterbringung eines
Mobiltelefons oder Wahlweise eines Cassettenfaches
sowie einer Aussentemperaturanzeige ermöglichte.
Als adäquates Radio schien mir ein
BMW Bavaria Business gerade richtig. Schade nur, dass sich die
Hinterleuchtung nicht den übrigen Instrumenten anpassen
lässt.
Mein eigener Bertone Freeclimber 6td, wie der Diesel offiziell heisst,
tut nun schon über 14 Jahre treuen Dienst. Die
Qualität ist
zwar nicht
an allen Ecken eines BMW würdig, dafür kutschiert man
im
wahrsten Sinne des Wortes eine wirkliche Rarität. In Europa
soll
es nur etwa 1000 Stück gegeben haben, und heute sieht man
davon
nur noch sehr, sehr wenige.
Ein Riesenerfolg war der Freeclimber in Deutschland nicht, vielleicht
weil er einerseits seiner Zeit zu weit voraus war,
andererseits dem Rocky zu ähnlich, um als
eigenständig zu
gelten. Soweit ich weiss, gab es aber noch einige Jahre
später eine zweite Auflage auf Basis des Daihatsu Feroza in
Südeuropa unter dem Namen "Freeclimber II".
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